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Ein Film für meine Zukunft – ein mehrjähriges Projekt mit und für Jugendliche mit einer geistigen Behinderung für ihren Übergang von Schule zum Beruf
Unsere weiterführende Schule, die UniverSaale Jena Freie Gesamtschule, blickt nun auf einige Jahre Erfahrung in der Berufsorientierung zurück. Gemeinsam mit der FSU Jena-Institut für Erziehungswissenschaften-Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie haben Pädagog*innen der UniverSaale ein Projekt erarbeitet, zur Entwicklung und Umsetzung einer Maßnahme für den Übergang Schule-Beruf, die den Einstieg in die Berufswelt für Jugendliche mit einer geistigen Behinderung unterstützen soll. Wir schließen damit eine Lücke im Übergang von Schule und Beruf für Jugendliche mit einer geistigen Behinderung. Bestehende allgemeine Angebote zur Berufsorientierung werden den individuellen Bedürfnissen von Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung insofern nicht gerecht, als dass sie die besonderen Anforderungen an eine inklusive Zukunftsgestaltung nicht berücksichtigen.
Methodisch erarbeiten wir gemeinsam mit den Schüler*innen einen Videoclip als Mittel zur Bewerbung bei Praktikums- und Ausbildungsbetrieben. Zunächst führen wir sie durch einen Filmworkshop. Im Verlauf zweier Module, innerhalb von sechs Jahren, entstehen zwei aussagekräftige Videoclips. Im ersten Modul konzentrieren wir uns auf die Jugendlichen und ihr ICH. Wer sind sie, welche Stärken, Eigenschaften und Träume haben sie? Was können sie sich vorstellen beruflich zu tun? Wir greifen ihre Träume auf. Dieser Traum darf ganz mutig und optimistisch der Arztberuf sein. Wir erarbeiten mit ihnen, was da alles für Wünsche drinnen stecken, z.B. das Interesse am Menschen und der Wunsch zu helfen. Wir motivieren sie dazu den Faden weiter zu spinnen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten. In den Filmen kommen Pädagog*innen, außerschulische Kontaktpersonen und auch Geschwister zu Wort. Menschen die die Jugendlichen kennen und mit ihnen leben und lernen. Wir beziehen in diesen filmischen Einblick gern Geschwister mit ein, die als vertraute Menschen so eine Art Interview oder Unterhaltung vor der Kamera führen. Sie schenken den Jugendlichen damit Sicherheit und gewähren uns einen ganz entspannten Blick auf den Menschen, hinter dem Begriff „Jugendliche mit geistiger Behinderung“.
Der zweite Film entsteht im zweiten Modul, vor Ort – an Praktikumsplätzen. In diesem Clip erleben wir die Jugendlichen im Umgang mit ihnen fremden Personen und Tätigkeiten. Da diese Filme keine Filme über die Jugendlichen sind, sondern mit den Jugendlichen, kommen sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer selbst zu Wort. So dass ein wunderbar umfassender und naher Eindruck entsteht, wer sich bewerben möchte. Wir sehen diese Filme als Übersetzung ihrer Gedanken und Träume, die sie in einem klassischen halbstündigen Bewerbungsgespräch schwerlich formulieren können. In unseren Übergangskonferenzen präsentieren die Jugendlichen ihre Filme vor Eltern und Pädagog*innen stolz selbst. Die Filme werden den Familien und dem Jugendlichen als Mittel zur Bewerbung überreicht. Die Eltern nehmen diese Filme gern an, denn erfahrungsgemäß fehlen auch ihnen oft die neutralen übersetzenden Worte, nicht selten dominiert durch all die anspruchsvollen Jahre der entschuldigende Defizitblick. Das wollen wir gern umkehren und die Stärken jedes Einzelnen zeigen. Damit bauen wir die ersten Berührungsängste der Jugendlichen, Eltern und Arbeitgebern ab.
Mit unserem Projekt möchten wir gemeinsam mit der FSU Jena den Übergang Schule-Beruf für Jugendliche mit Behinderungen nicht primär nach ihren nicht vorhandenen Fähigkeiten beurteilt oder eingeschätzt wissen, sondern nach ihren (oft verdeckten) Möglichkeiten, die für das von Praktikumsstellen und Unternehmen angebotene Aufgabengebiet interessant sind. Unsere Bewerbungsvideoclips bauen Ängste auf beiden Seiten ab. Sie sind notwendig als Übergangsmaßnahme von Schule-Beruf. Geplant, analysiert und begleitet wird das Projekt durch die FSU Jena-Institut für Erziehungswissenschaften – Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie in der Analyse. Eine Evaluation erfolgt, um das Projekt als Übergangsmaßnahme nachhaltig in der Bildungslandschaft Jenas, für alle Schulen, anzusiedeln.
Der menschenrechtliche Anspruch auf Teilhabe über die Schule hinaus nimmt uns in die Plicht. Dazu gehört beispielsweise, Partizipation als Bildungsziel zu verankern. In der Schule schaffen wir die Rahmenbedingungen für gelingende Teilhabe am Unterricht durch Anpassung der Schulstrukturen und Fortbildung der Pädagog*innen. Wir schaffen Bedingungen für ein diskriminierungsfreies Miteinander. Ebenso gehört für uns dazu assistierte Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen auch über Schule hinaus zu ermöglichen, damit diese ihr Menschenrecht auf Teilhabe auch wirksam ausleben können und nicht andere über ihre Teilhabe entscheiden. Wir sind inmitten eines spannenden Prozesses. Hier gibt es ein Erklärvideo zu unserem Projekt zur Unterstützung von Jugendlichen mit einer Behinderung am Übergang Schule-Beruf, zur Entwicklung und Umsetzung einer Maßnahme für den Übergang Schule-Beruf.
veröffentlicht am 21. November 2019