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Ein neues Unterrichtsformat an der UniverSaale: „Neuland“
Wie wäre es, wenn Schule ein Ort wäre,
- an dem sich die Schüler*innen ihr Wissen durch individuelles Erleben erschließen,
- an dem Lehrer*innen nicht mehr (und nicht weniger) als Coaches ihres Lernprozesses sind,
- persönliche Neigungen und Interessen zum Gegenstand selbstgewählter Forschungsfragen werden und
- sich die Grenzen des Lernortes Schule für einen nachhaltigen Wissenstransfer nach außen öffnen?
Die Freie Gesamtschule UniverSaale hat dieses Experiment gewagt mit einem neuen Unterrichtsfach „Neuland“, das in diesem Schuljahr angelaufen ist. Die theoretische Grundlage bildete ein eigenes Konzept, welches in einer intensiven Vorbereitungsphase 2020 entstanden ist – inspiriert von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus aktuellen Lerntheorien, unterstützt von der Schulleitung und unter Einbindung verschiedener Professionen an unserer Schule (Fachlehrer*innen, Sonderpädagog*innen, Schulbegleiter*innen).
Die Grundidee hinter diesem neuen Unterrichtsfach ist, das die eigenmotivierte und selbstständig strukturierte Aneignung von Wissen zu nachhaltigen Lernerfolgen auf verschiedenen Ebenen führt. Zentral ist dabei auch, dass die individuelle Förderung von Begabungen und Interessen einen Platz an der Schule bekommt.
Die Testphase zu „Neuland“ ist in diesem Schuljahr in der Klassenstufe 7 mit 40 Kindern gestartet: 22 Forscherthemen wurden alleine oder in der Gruppe bearbeitet und haben zum Teil beachtliche Prozesse in Gang gesetzt.
Aufbau des Faches
Die Schüler*innen bekommen 3 Stunden pro Woche Zeit, fest integriert in den Stundenplan, sich mit einer selbst gewählten Forschungsaufgabe zu beschäftigen. Die Pädagog*innen oder externe Partner*innen fungieren als Coaches, als Co-Konstrukteur*innen des Lernprozesses. Es gibt regelmäßige Treffen und Austauschzirkel. Die Schüler*innen organisieren sich interessens- und begabungsorientiert zumeist in Forscher*innengruppen, die jeweils eine*n Pädagog*in oder externe*n Partner*in als lernbegleitender Coach haben. Zu ihrem Thema entwickeln die Schüler*innen vertiefende Fragen und Thesen und überprüfen sie an der Realität. Ausdrücklich können sie sich auch den Erwerb oder die Vertiefung praktischer Fertigkeiten als Thema wählen. Im Verlauf des Forschungsprojekts recherchieren sie zielorientiert, dokumentieren ihren Arbeitsprozess und ihre Arbeitsergebnisse und können ihre Ergebnisse präsentieren. Die Nutzung digitaler Medien erfolgt bei der Recherche, Dokumentation und Präsentation. Die Kompetenzen dazu könnten in Workshops zu Beginn des Schuljahres erworben werden.
Um in einem inhaltlich und organisatorisch so freien Format wie „Neuland“ Handlungssicherheit bei den Beteiligten zu erreichen, gibt es einen Handlungsplan, d.h. einen strukturierenden Rahmen des Arbeitsprozesses. Zudem gibt ein verbindliches Grundrepertoire an Methoden für die Arbeitsorganisation. Die Ergebnisse finden Eingang ins Zeugnis, jedoch ohne Benotung.
Bedeutung
Die UniverSaale regiert mit diesem Fach auf die Veränderung der Wissenskultur in unserer Gesellschaft, unterstützt horizontalen und resonanten Wissenstransfer (statt vertikaler und eindimensionaler Vermittlung), befähigt die Schüler*innen zu Arbeitsmethoden, die auf dem Arbeitsmarkt immer stärker vorausgesetzt werden und ermächtigt sie, methodisch wie auch kritisch mit der Digitalisierung umzugehen. Durch externe Coaches, welche z.B. Wissensträger*innen aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Handwerk, Kunst und Kultur, aber auch Institutionen oder Vereine sein können, öffnet sich Schule als Lernort, wird quasi zu einem modernen Salon. Die Expertise von außen führt dazu, dass Schule nicht „verinselt“, sondern ein Ort des Austauschs wird. Die Schüler*innen erfahren damit die Bedeutung und Nutzen von Netzwerken – auch ein Beitrag zur Demokratiebildung.
Ausblick
Nach einem sehr erfolgreichen ersten Probelauf evaluieren wir unsere Ergebnisse, nehmen ggf. Anpassungen und möchten unser Wissen auch anderen Schulen zugänglich machen, mit einem einsehbaren Konzept, Möglichkeiten zur Hospitation und Öffentlichkeitsarbeit. Im nächsten Schuljahr möchten wir dieses Fach auch in der Klassenstufe 8 einführen.
Einige Forschbeispiele und Statements
- Eine Geschichte selbst schreiben
- Einen Pizzaofen bauen
- Russisch lernen
- Garnelen züchten
- Spendenaktion für das Tierheim planen
- Rappen lernen
“Ich freue mich in der Woche am meisten auf den Tag, an dem wir unsere Forscherzeit haben, denn dann kann ich endlich etwas machen wofür ich mich interessiere” Dorian/Schüler, Thema: Graffiti
„Wir wollen weiter Forschen (…) Durch Forschen bekommt man Verantwortung.“ Ole, Linus, Jaron, Felix/Schüler, Thema: Gaming-Zeitschrift erstellen
„Es war schwieriger als gedacht, das was ich mir vorgenommen habe auch wirklich zu lernen. Aber ich bin trotzdem zufrieden – ich habe einen tieferen Einblick in die Sprache bekommen.“ Ada/Schülerin, Thema Russisch lernen.
“R. hat heute ihre erarbeiteten Choreographien vor den Schülerinnen und Pädagoginnen im Sportunterricht ihrer Stammgruppe präsentiert. WOW! Das war echt toll! Sie hatte ein richtiges kleines Bühnenprogramm vorbereitet mit einer tänzerischen Aufwärmung für alle und nicht nur einer, sondern 3 Choreographien auf ganz unterschiedliche Musikstücke!
Michaela/Pädagogin und Coach
„Eine meiner Gruppen hat im Reflexionsgespräch ihren Arbeitsprozess sehr treffend reflektiert und ein gutes Fazit zu ihrer Arbeitsweise gezogen. Nach dem Gespräch ging mir dazu das Zitat von Konfuzius durch den Kopf: “Sage es mir, und ich werde es vergessen…Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten…Lass es mich tun, und ich werde es können.” Und ich glaube, das fasst den großen Vorteil von Forschen zusammen.“ Lisa/Pädagogin und Coach
veröffentlicht am 01. Juli 2021