Querwege e. V.

QuerWege e. V.

Blog

alle Blog-Artikel anzeigen

Inklusion leben: Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in unseren Einrichtungen

Die Ergebnisse der UN-Staatenprüfung 2023 zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland sind ein deutlicher Weckruf: Trotz des erklärten Ziels, die Rechte von Menschen mit Behinderungen vollständig zu gewährleisten, bestehen weiterhin große Defizite in den Bereichen Partizipation und Barrierefreiheit.
Für uns als Querwege e.V. ist diese Kritik nicht nur Mahnung, sondern auch Bestätigung und Ansporn. Seit unserer Gründung arbeiten wir daran, inklusive Bildungs- und Betreuungsangebote zu schaffen und umzusetzen. Mit unseren fünf integrativen Einrichtungen, darunter zwei Kitas, eine Grundschule, eine Gemeinschaftsschule und eine Frühförderstelle, tragen wir täglich dazu bei, dass Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen gleichberechtigt lernen und leben können.

Partizipation und Barrierefreiheit: Grundpfeiler unserer Arbeit

Partizipation von Anfang an

Die UN-BRK fordert, dass Menschen mit Behinderungen aktiv in alle sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden. Diese Forderung haben wir in unserer Arbeit fest verankert. In unseren Einrichtungen fördern wir demokratische Strukturen, etwa durch Kinderkonferenzen und ein Kinderparlament und ganz grundsätzliche Partizipation und Selbstbestimmung im Alltag. Hier können sich alle einbringen, unabhängig von ihren sprachlichen, motorischen oder kognitiven Fähigkeiten. Mit unterstützender Kommunikation – wie Bildkarten oder Talkern – schaffen wir die Grundlage für echte Entscheidungen.
Ein Projekt, das Partizipation in den Fokus rückt, ist unser inklusiver Schulgarten. Hier gestalten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam den Außenbereich, indem sie pflanzen, planen und entscheiden. Für viele Kinder, insbesondere jene mit Einschränkungen, ist dies eine wichtige Erfahrung von Selbstwirksamkeit.

Schulgestaltung
Schulgestaltung
Barrierefreiheit als umfassendes Konzept

Barrierefreiheit ist weit mehr als der Einbau von Rampen oder Aufzügen. In unseren Einrichtungen setzen wir auf ganzheitliche Ansätze: Von der barrierefreien Gestaltung unserer Räumlichkeiten bis zur Einführung inklusiver Kommunikationsmittel. Aktuell arbeiten wir daran, unsere Schulen mit interaktiven Whiteboards auszustatten, die sowohl für sehbehinderte als auch für motorisch eingeschränkte Kinder einfach zu bedienen sind.
Doch Barrierefreiheit endet nicht in den Einrichtungen. Die UN-Staatenprüfung mahnt, dass strukturelle und kommunikative Barrieren in allen Lebensbereichen abgebaut werden müssen. Hier sehen wir es als unsere Aufgabe, diese Themen in den öffentlichen Diskurs einzubringen und Jena als Stadtgesellschaft für eine umfassendere Inklusion zu sensibilisieren.

UK-Materialien
UK-Materialien

Inklusion in der Praxis: Unsere Angebote im Detail

Kitas und Frühförderung

Unsere integrativen Kitas bieten aktuell Platz für 125 Kinder, von denen etwa ein Drittel einen besonderen Förderbedarf hat. Hier wird Inklusion von Anfang an gelebt: Kinder mit körperlichen, geistigen oder emotionalen Teilhabe-Einschränkungen spielen, lernen und wachsen gemeinsam mit ihren Altersgenossen auf. Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie unsere Teams auf die individuellen Bedürfnisse eingehen: Ein Kind mit einer Hörbeeinträchtigung nutzt Gebärdensprache, die in die Alltagskommunikation der gesamten Gruppe integriert wurde – so lernen alle Kinder voneinander und entwickeln ein tieferes Verständnis für Vielfalt. Wichtig ist, dass nicht nur das betroffene Kind über die Hilfsmittel verfügt, sondern auch alle anderen Menschen des Systems Bildungseinrichtung befähigt werden, mit dem Kind in Kontakt zu treten, um die spezifische, hier kommunikative, Barriere nachhaltig abzubauen für möglichst uneingeschränkte Teilhabe.
Unsere Frühförderstelle betreut jährlich über 60 Familien. Dabei unterstützen wir Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und ihre Eltern, von der Diagnostik bis zur Therapie. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit – mit Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen und weiteren Fachkräften – schaffen wir eine Basis für die individuelle Entwicklung jedes Kindes.

Alltagsintegrierte Förderung und Therapie
Alltagsintegrierte Förderung und Therapie
Schulbegleitung

In der Schulbegleitung sind wir besonders stark vertreten: Mit fast 100 Fachkräften begleiten wir in den Jenaer Schulen derzeit über 90 Kinder. Diese Unterstützung reicht von der Assistenz im Unterricht bis hin zur Förderung sozialer Teilhabe. Ein eindrückliches Beispiel: Ein Schüler mit einer Autismus-Spektrum-Störung konnte dank einer individuell abgestimmten Begleitung seine Ängste im Schulalltag reduzieren und neue Freundschaften aufbauen. Diese Erfolge zeigen, wie wichtig es ist, Barrieren nicht nur physisch, sondern auch auf sozialer und emotionaler Ebene zu reduzieren.
Wie wir uns für passgenaue und bedarfsgerechte Finanzierungsmodelle einsetzen, lesen Sie hier

Schulen: Gemeinsam lernen, individuell fördern

Unsere beiden Schulen – eine Grundschule und eine Gemeinschaftsschule – setzen das Konzept des gemeinsamen Lernens konsequent um. In gemischten Klassen lernen rund 180 Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen. Differenzierte Lernangebote und unterstützende Technologien, wie digitale Lernplattformen und Visualisierungstools, sorgen dafür, dass alle Kinder gemäß ihren Fähigkeiten gefördert werden. So entsteht eine Lernumgebung, in der Unterschiede als Stärke wahrgenommen werden.

Unser gemeinsamer Auftrag: Inklusion gestalten

Die Ergebnisse der UN-Staatenprüfung 2023 machen deutlich, dass Inklusion keine Aufgabe einzelner Institutionen ist. Sie ist ein gesellschaftlicher Auftrag, der nur durch gemeinsames Handeln erfüllt werden kann. Mit unseren über 250 Mitarbeitenden und unserem Netzwerk setzen wir uns täglich dafür ein, Barrieren abzubauen und Inklusion in Jena und darüber hinaus zu fördern.
Unser Ziel ist es, nicht nur inklusiven Alltag in unseren Einrichtungen zu gestalten, sondern auch Impulse für die gesamte Gesellschaft zu geben. Denn Inklusion darf kein Sonderthema bleiben – sie muss gelebte Realität werden.

Gemeinsam können wir dazu beitragen, die Behindertenrechtskonvention nicht nur auf dem Papier umzusetzen, sondern sie in jedem Lebensbereich mit Leben zu füllen. Die UN-Ergebnisse sind für uns kein Hindernis, sondern eine klare Aufforderung: Jetzt ist die Zeit, aktiv zu werden.

veröffentlicht am 03. Dezember 2024