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Eingliederungshilfe in der Schulbegleitung: Ein Plädoyer für nachhaltige Finanzierungsmodelle

(Diesen Inhalt gibt es leider noch nicht in leichter Sprache. Wir arbeiten gerade daran.)

Einleitung

In Jena steht die Eingliederungshilfe, speziell im Bereich der Schulbegleitung, vor beispiellosen Herausforderungen. Die zunehmende Regulierung und die Abkehr von flexiblen Finanzierungsmodellen werfen drängende Fragen auf: Wie kann die Unterstützung für Kinder mit Teilhabebeeinträchtigungen optimal gestaltet werden? Dieser Artikel beleuchtet die Problematik der aktuellen Finanzierungspraxis und argumentiert für die Notwendigkeit einer Rückkehr zu flexiblen, budgetbasierten Modellen.

Die vergangenen Tage: Flexibilität durch Jahresbudgets

Die Finanzierung der Schulbegleitung über Jahresbudgets bot einst eine Grundlage für flexible und umfassende Unterstützung. Diese Budgets ermöglichten es, spontane Herausforderungen des Schulalltags, wie Klassenfahrten, Wandertage oder Änderungen im Stundenplan, effizient zu bewältigen. Hierbei waren wir in der Vergangenheit in der Lage, bewilligte Stunden der Eingliederungshilfe als Pool zu verwalten und individuell, je nach situativer Bedarfslage der Kinder und Jugendlichen, entsprechend aufzuwenden. Die Flexibilität dieser Modelle förderte so eine inklusive Bildung und unterstützte Kinder mit Teilhabebeeinträchtigungen in ihrer gesamten schulischen Laufbahn mit stetigem Blick auf ihre gegenwärtigen Bedürfnisse. Gleichzeitig erkannte sie die Schulbegleiter*innen des Querwege e.V. als Fachkräfte an, indem ihnen die Expertise im verantwortungsvollen, bedarfsgerechten Einsatz dieser Mittel zugesprochen wurde.

Die Probleme des aktuellen Systems

Demgegenüber steht heute ein stark reguliertes System, das die Leistung der Schulbegleitung in einzelne Bestandteile, wie Klassenfahrten, Wandertage, Teilhabe am allg. Unterricht usw. aufteilt. Da einige dieser Leistungen gesondert erfasst und beschieden werden müssen, führt diese Zerstückelung zu ineffizienten Bearbeitungsprozessen und letztendlich dazu, dass notwendige Unterstützungsleistungen die Schülerinnen und Schüler nicht oder nur verzögert erreichen.

Die aktuelle Praxis ignoriert die dynamische Natur des Schulalltags und die spezifischen Bedürfnisse von Kindern mit Teilhabebeeinträchtigungen geraten vor dem Hintergrund des Beantragungsprozesses in den Hintergrund. In dem Wunsch des Kostenträgers (Stadtverwaltung Jena) finanzielle und rechtliche Sicherheit herzustellen, werden unsere Verwaltungsstrukturen durch intransparente und spontan auftretende Prüfungen, sowie unverhältnismäßig lange Bearbeitungszeiträume, bis auf das Äußerste strapaziert. Besonders dramatisch ist, dass vor diesem Hintergrund die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Schulbegleitung zunehmend in den Hintergrund gerät. Verstärkend kommt hinzu, dass wir eine besonders hohe Fluktuation im Personal des Integrationsdienstes und der wirtschaftlichen Jugendhilfe beobachten. Hierdurch gerät wertvolles Wissen verloren und gute Zusammenarbeit in der Leistungspraxis wird zunehmend erschwert.

Dies wiederum senkt die Arbeitszufriedenheit und Prozessqualität in unseren Einrichtungen und Diensten: ausstehende Bescheide werden durch Lehrer*inner oder Erzieher*innen kompensiert und die betreffenden Familien müssen sich damit arrangieren, dass ihren Kindern die Unterstützungsleistung bei ihrem Recht auf Teilhabe am gemeinsamen Unterricht, erst nach sehr langen Bearbeitungszeiträumen gewährt wird. Neben der schweren Belastung für das System Schule und Familie, wird durch diese Praxis das Bundesteilhabegesetz aus unserem Blickwinkel nur sehr ineffizient in Verwaltungsprozesse übersetzt und Chancengerechtigkeit erschwert.

Argumente für die Rückkehr zu Budgets

Flexibilität und schnelle Anpassungsfähigkeit

Durch die Nutzung von Budgets können Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter schnell auf Veränderungen im Schulalltag reagieren. Diese Flexibilität ist essenziell, um auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen zu können. Weiterhin bietet es Eltern eine zuverlässige Versorgung ihrer Kinder über das gesamte Schuljahr hinweg.

Reduzierung administrativer Hürden

Ein budgetbasiertes System minimiert den bürokratischen Aufwand, indem es die Notwendigkeit verschiedener Einzelbegutachtungen (Klassenfahrten, Wandertage usw.) eliminiert. Dies ermöglicht eine zügigere Bereitstellung der benötigten Unterstützung und verhindert Verzögerungen, die sich negativ auf die Bildungschancen der Kinder auswirken. Durch den Wegfall der Beantragung und Prüfung einzelner Leistungen entsteht gleichzeitig mehr Raum für den Austausch über die inhaltliche Ausgestaltung von Inklusion an Jenaer Schulen. Die Stadtverwaltung Jena investiert strukturell mit dem Integrationsdienst eine ganze Abteilung, dessen Auftrag es ist moderne, zielgerichtete Lösungen für Kinder und Jugendliche mit Teilhabebeeinträchtigung zu finden. Es ist uns ein wichtiges Anliegen gemeinsam mit dem Integrationsdienst an der Ausgestaltung der Schulbegleitung konzeptionell zusammenzuarbeiten, um bestmögliche Rahmenbedingungen für die Schüler*innen und deren Familien zu schaffen.

Förderung der Teilhabe und Inklusion

Budgets ermöglichen eine ganzheitliche Betrachtung und Umsetzung der Schulbegleitung, wodurch Barrieren für die Teilhabe abgebaut werden. Eine flexible Finanzierung unterstützt die Inklusion, indem sie sicherstellt, dass alle Kinder entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse gefördert werden und Barrieren dort abgebaut werden können, wo verschiedene Systeme wie Schulen, Elternhäuser, gesetzliche Rahmenbedingungen, Finanzen und unsere Leistung als QuerWege e.V. aufeinandertreffen.

Anpassung an die Vielfalt der Schullandschaft

Die Schulbegleitung steht vor der Herausforderung, sich in einer vielfältigen und dynamischen Schullandschaft zurechtzufinden. Budgets erlauben eine flexible Anpassung an die unterschiedlichen Organisationsstrukturen und Bedürfnisse der Schulen, indem Schulbegleiter*innen mit Hilfe der Budgets den individuellen, bedarfsgerechten Fokus wählen können, der zu der jeweiligen Schulform, dessen Konzept und internen Organisation passt.

Der Weg nach vorn: Modellprojekte und Innovationen

Wir freuen uns ganz besonders darüber, dass die Stadtverwaltung Jena mit besonderer Hilfe des Integrationsdienstes die Bedeutung flexibler Finanzierungsmodelle erkannt hat und gemeinsam mit uns als QuerWege e.V. seit kurzem an der Entwicklung eines Modellprojektes arbeitet. Diese Projekte zielen darauf ab, die Schulbegleitung durch die Wiedereinführung von Budgets zu revitalisieren und fit für die Herausforderungen der modernen Bildungslandschaft zu machen.

Ein solches Projekt, das im Schuljahr 2024/​25 starten soll, verspricht innovative Ansätze zur Unterstützung von Kindern mit Teilhabebeeinträchtigungen. Hierbei werden die Erfahrungen vergangener Modellprojekte mit einem klaren Ansatz von Prävention kombiniert, um Lösungen an den Stellen zu schaffen, an denen Kinder durch die Gestaltung ihrer Umwelt an der Teilhabe behindert sind. Wer sich an dieser Stelle für mehr Informationen interessiert, darf sich jetzt schon auf den Artikel freuen, in dem wir die Neuerungen des Modellprojektgedankens detailliert erklären wollen.

Fazit und Ausblick

Die Notwendigkeit einer flexiblen, inklusiven und effizienten Schulbegleitung ist offensichtlich. Die Rückkehr zu budgetbasierten Finanzierungsmodellen bietet eine vielversprechende Lösung für die aktuellen Herausforderungen. Es ist an der Zeit, bewährte Praktiken wiederzubeleben und neue Wege zu beschreiten, um eine gerechte und zugängliche Bildung für alle Kinder zu gewährleisten. Wir blicken dem fest geplanten Modellprojekt an der Schillerschule enthusiastisch entgegen und freuen uns darauf, euch in einem weiteren Artikel Genaueres darüber zu berichten.

veröffentlicht am 26. Februar 2024