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Gesamtschule UniverSaale

»1944 an einem schönen Frühlingssonntag marschierte die Wehrmacht ein…« Stolperstein-Konzert und Zeitzeugengespräch am 9. November

(Diesen Inhalt gibt es leider noch nicht in leichter Sprache. Wir arbeiten gerade daran.)

Bewegender Abend zum Gedenken an die Reichspogromnacht

Jena, 9. November 2020, 17:45 Uhr: Kälte, Nebel, Feierabendhektik, allgemein angespannte Corona-Stimmung. Eigentlich zieht es einen nicht unbedingt hinaus zum Innehalten an einem Abend wie diesem. Doch erinnert das Datum Jahr für Jahr an die Reichsprogromnacht 1938 – als die Synagogen brannten, Geschäfte geplündert und jüdische Mitmenschen ermordet wurden – sichtbar vor den Augen der Öffentlichkeit. 82 Jahre nach diesen Verbrechen stehen Menschen am 9. November an 40 Stolpersteinen und Erinnerungsorten in Jena, welche der Opfer beim “Klang der Stolpersteine” mit Musik und künstlerischen Aktionen gedenken.

An einem dieser Orte, am Fürstengraben 6, haben sich am vergangenen Montag Schüler*innen des 11. Jahrgangs der UniverSaale getroffen, um mit Musik, Gesang, Kerzen und Kränzen dem Mediziner Emil Klein, der hier eine Praxis hatte bevor er deportiert wurde, zu gedenken. Vorangegangen war dem Kurzkonzert eine Geschichts-Projektwoche, in der dieser Beitrag vorbereitet wurde. Über 40 Zuhörer*innen waren am 9. November zum Fürstengraben gekommen, trotzten den Temperaturen und dem Straßenlärm, um zu lauschen, inne zuhalten und zum Abschluss gemeinsam “Donaj, Donaj, Donaj” zu singen. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, heißt es im Talmud, und in diesem Sinne haben die Jugendlichen es geschafft, die Erinnerung an Emil Klein und damit an all die anderen Opfer wach zu halten.

Im Anschluss an den “Klang der Stolpersteine” fand um 20 Uhr ein digitales Zeitzeugengespräch mit Éva Fahidi-Pusztai, Überlebende von Auschwitz und des KZ-Außenlagers Münchmühle, statt. Während Frau Fahidi-Pusztai in Budapest vor dem Rechner saß, wurde das Bild nach Erfurt übertragen, wo im Studio der Moderator Martin Kranz, Intendant der Achava Festspiele Thüringen, mit Gästen saß, und gleichzeitig nach Jena, wo von zwei verschiedenen Orten aus Schüler*innen und Pädagog*innen der UniverSaale und des Christlichen Gymnasiums live zugeschaltet waren. Das ungewohnte digitale-interaktive Format funktionierte sehr gut auf die Distanz, denn die 95–jährige Éva Fahidi-Pusztai erzählte sehr eindrücklich, fesselnd und schonungslos von ihren Erlebnissen: Von ihrer glückliche Kindheit in Ungarn Ende der 20er Jahre, von den zunehmenden Repressionen gegen Juden in ihrer Stadt, vom Einmarsch der Wehrmacht 1944 “an einem schönen Frühlingssonntag”, von der bedrückenden Zeit im Ghetto, vom schrecklichen Ende ihrer Familie und ihrem eigenen Überlebenskampf als Zwangsarbeiterin in Deutschland. Ihre Eindrücke schilderte sie sehr klar und detailliert und umso emotionaler war es, ihr zu zu hören. Sie richtete sich oft direkt an die Schüler*innen, denn ihr liegt sehr viel daran, die Erinnerung in der jungen Generation wach zu halten. Gleichzeitig vermittelte sie, das Leben als ein Geschenk zu sehen, es euphorisch zu bejahen.

Über zwei Stunden lauschten die rund 20 Schüler*innen in der Aula der UniverSaale ihren Erzählungen, schauten gebannt einen Filmausschnitt über ihre Geschichte und ihr beeindruckendes Tanzprojekt (“The Euphoria of Being”) und nutzen die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Die Jugendlichen empfanden dieses Gespräch als sehr bereichernd, denn aus erster Hand und von so einer charismatischen Erzählerin über das Schicksal der Juden zur NS-Zeit zu hören, ist eine einmalige Gelegenheit, die nicht mehr lange möglich sein wird.

Alle Teilnehmenden, auch die über 150 Zuschauer*innen, die das Gespräch auf Youtube live mitverfolgen konnten, zeigten sich sehr dankbar für die tiefen und sehr emotionalen Einblicke in die schwersten Jahre ihres Lebens. “Habe acht” gab sie allen mit auf den Weg – eine Botschaft die bleiben wird. Danke, Éva!

Wir bedanken uns zudem bei Philipp Schäffler vom Christlichen Gymnasium Jena, Martin Kranz und dem Achava-Festival für die wunderbare Organisation und die Bereitstellung der Technik, bei den Menschen hinter dem “Klang der Stolpersteine”, sowie bei unserem Technikverantwortlichen Jean-Philipp Gnauck, unseren Geschichtslehrerinnen Franziska Preuß und Anne Rudolph und allen beteiligten Schüler*innen!

Den Mitschnitt des Gesprächs findet ihr auf youtube.

Den abslout sehenswerten Film über Éva Fahidi-Pusztai “The Euphoria of Being” findet ihr aktuell in der MDR Mediathek.

veröffentlicht am 10. November 2020