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Die kleine Dame mit den vielen Taschen – Wir verabschieden Gabi Külshammer nach 20 Jahren SteinMalEins

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Wer Gabi kennt, weiß, sie sammelt Bilderbücher. Reichlich 150 Exemplare stehen in ihrem heimischen Büro. Wenn es ein Bilderbuch über sie gäbe, dann hieße es vielleicht, wie in der Überschrift zu lesen: »Die kleine Dame mit den vielen Taschen.« – Denn, wo Gabi auftaucht, sind ihr blauer Rucksack und diverse andere Behältnisse nicht weit. Was darin wohl alles zu finden ist?

Bevor Gabriele Külshammer 2003 in unserer SteinMalEins-Grundschule und im Querwege e.V. aktiv wurde, war sie mit ihrem Gepäck bereits ganz schön weit herumgekommen. Nicht nur, dass sie immer schon gerne Weltenbummlerin war und (immer noch) viele nahe und ferne Orte bereist. Sie lebte in Augsburg und Dortmund, aber auch in Chicago, Manchester und Oxford. Was liegt da näher, als sich nach diesen Erfahrungen in Bad Klosterlausnitz niederzulassen?

Neben ihrer Liebe für Bilderbücher und das Reisen finden sich weitere Schätze in ihren Taschen. Ihre Liebe zur Mathematik – sie studierte in Dortmund bei Wittmann und Müller, die das Projekt Mathe 2000 auf den Weg brachten, das heute in vielen Lehrwerken der Grundschuldidaktik Anwendung findet. Auch ihre Querflöte darf nicht fehlen, eine Klangschalensammlung und ihre generelle Affinität zur Musik.

Als Sonderpädagogin und teilweise in Funktion als Stammgruppenlehrerin hat sie ihre Kompetenzen eingebracht. In bestem Sinne begleitend, mit dem wohlwollenden Blick auf die Entwicklung und Entfaltung der Potenziale ihrer Schützlinge.

In der langen Zeit ihres Wirkens an unserer Schule hat Gabi in beeindruckender Weise als Teil des Teams und in ihrer Leitungstätigkeit prägende Qualitäten eingebracht: Empathie, Einfühlungsvermögen, Verbindlichkeit, Kontinuität und Wertschätzung. Zwar lebt sie bescheiden auf kleinem Fuß mit Schuhgröße 36, das hat sie nicht davon abgehalten, oft Extrameilen mit unserem Team zu gehen. Z.B. bei Entscheidungen nicht müde zu werden, die Perspektiven des Teams zu erfragen und in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Das kann man besten Gewissens gelebte Vielfalt und Demokratie nennen, all das, wofür unser Verein und dessen Leitbild steht. Gabi hat dies in vielfältiger Weise auch nach außen getragen und repräsentiert: als verlässliche und engagierte Ansprechpartnerin, Kontaktknüpferin und Vermittlerin, sei es mit den unterschiedlichsten Institutionen der Stadt Jena, dem Bildungsministerium oder in anderen Gremien.

Nun wurde Gabi im Juli dieses Jahres in den Ruhestand verabschiedet. 20 Jahre lang hat sie in der SteinMalEins-Grundschule und im Querwege e.V. gewirkt und gestaltet. Wir als Schule und Verein waren beschenkt und danken ihr für das bereichernde Engagement und Herz, das sie bei ihrer Arbeit und im Miteinander eingebracht hat.

Die kleine Dame mit den vielen Taschen und dem großen Herzen zieht weiter – langweilig wird ihr bestimmt nicht.

(Text: Vilma Pasche)


»Es gab ganz viel an dieser Schule, nur Stillstand nicht!«

Interview mit einer Sonderpädagogin Gabi Kühlshammer nach 20 Jahren SteinMalEinsInterview Gabi Külshammer

> Kannst du dich an deine erste Zeit an der SteinMalEins erinnern?

Über Bekannte hatte ich in den Sommerferien 2003 erfahren, dass eine Sonderpädagogin an der SteinMalEins gesucht wird. Kurze Zeit nach der Bewerbung hatte ich mein Vorstellungsgespräch, zu dem ich gleich 2 Stunden zu spät kam, weil es eine Vollsperrung auf der Autobahn gab. Zum Glück hatten sie auf mich gewartet. Dann ging alles ziemlich schnell, denn nach den Ferien habe ich sofort begonnen, zu arbeiten.
Das war für mich ein komplett neues System. Zuvor war ich in verschiedenen Sonderschulen in NRW. Das war total anders, für mich begann hier Neuland. Im ersten Schuljahr war ich in drei Gruppen eingesetzt. Wir Sonderpädagogen haben in dem Jahr 2003 noch nach sonderpädagogischen Fachrichtungen gearbeitet, immer mit den Kindern, die dem studierten Förderschwerpunkt entsprachen. Aber nach einer Strukturänderung ab 2004 war ich bei den Bernsteinen im Stammgruppenteam. Dort habe ich den größten Teil meiner Zeit an der SteinMalEins verbracht.

> Was war an der SteinMalEins neu für dich?

Die Mischung der Kinder (4 Jahrgänge und verschiedene Bildungsgänge in einer Stammgruppe) war ungewohnt für mich. Mit meinem sonderpädagogischen Fokus auf die Kinder mit Förderbedarf war ich gleichzeitig mittendrin im Unterricht.
Ganz neu war auch, im Team zu arbeiten. Normalerweise bist du allein für deine Klasse verantwortlich und gut ist. Allein die Tatsache, dass die Türen fast immer offenstanden, war erstmal gewöhnungsbedürftig. Die Offenheit war schon irre. Und gemeinsam über die Kinder nachdenken, das war eine ganz neue Qualität, die ich zu schätzen gelernt habe. Ich habe im Studium nur theoretisch über Integration etwas gelernt, das war immer eine Illusion und Wunschtraum. Daher konnte ich diese neue Schule aufsaugen (lacht).

> Was hast du ganz besonders gerne in deiner Zeit bei uns gemacht?

Mit Kindern gearbeitet (lacht). Kinder beim Lernen zu begleiten. Ich fand es immer wieder schön, zu sehen: Lernen ist nicht jeden Tag gleich und daher muss man gucken, wie kann man Kinder begeistern, wo kann man andocken – egal auf welchem Stand sie sind. Da den richtigen Anknüpfungspunkt zu finden und zu sehen, wie begeistert Kinder lernen können und sich vertiefen können – diese Momente sind einfach Gold wert.
Und das Unterrichten in dieser Vielfalt ist eine wunderschöne Sache. Jeden Einzelnen zu sehen, finde ich herausfordernd und wunderschön. Auch mit dem Pädagog*innenteam hat es immer Spaß gemacht, die verschiedenen Austauschmöglichkeiten waren toll. Der Kontakt mit den Eltern war auch immer ein spannender Bereich. Insgesamt war das ein sehr wohltuender und guter Austausch, ich habe da immer viel Unterstützung erfahren. Und ganz spannend fand ich die Ausbildung für die Lehramtsanwärter*innen, das habe ich für unsere Schule in Lobeda übernommen, für die angehenden Sonderpädagoginnen und Grundschullehrerinnen.

> Was waren Meilensteine für dich in der Zeit an der SteinMalEins?

Zunächst 2004, als die Sonderpädagogen konzeptionell den Teams zugeordnet wurden und es dann 4–5 Pädagog*innen (also Grundschullehrer*innen, Sonderpädagog*innen, Ganztagspädagog*innen) als feste Ansprechpartner einer Stammgruppe gab.
2009 haben wir die staatliche Anerkennung als Grundschule bekommen. Wir hatten damit eine rechtliche Gleichstellung mit staatlichen Schulen. Wir haben da lange gefochten, z.B. auch über die Zeugnisform. Das war schon spannend und wir hatten damals gute Ansprechpartner im Ministerium.

2009 Haben wir eine Schwedenreise gemacht, organisiert von der »Serviceagentur Ganztätig Lernen«, die den Austausch zwischen verschiedenen Ganztagsschulen förderten. Ziel war, Input vom schwedischen System zu bekommen. Einige Sachen in punkto Integration waren doch weniger ausgeprägt, als wir es uns vorgestellt haben. Andererseits haben wir so viele Eindrücke gewonnen, sodass wir mit einem anderen Konzept im Kopf wieder zurückkamen. Das haben wir dann unseren Kollegen vorgestellt und die haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Doch dann kamen die Sommerferien und alle haben nochmal darüber nachgedacht, wie der Unterricht offener gestaltet werden kann. Verschiedene Ideen, Erfahrungen und Fachliteratur flossen in die Diskussion ein. Daraus hat sich das Konzept mit der Stammgruppenzeit am Vormittag entwickelt, was wir immer noch haben.

Dann kam »nebenbei« der Aufbau des zweiten Standorts und Umzug ins Paradies 2013, in Verbindung mit der Gründung der UniverSaale. Das war auch eine ganz schöne Umbruchszeit, aus den vier Stammgruppen acht zu machen.

Zwischendurch haben wir uns zweimal für den deutschen Schulpreis beworben und sind einmal auch unter die ersten 20 gekommen. Dabei haben uns immer Eltern mit unterstützt.

2019 haben wir durch Elterninitiative den Kinder Inklusionspreis gewonnen.

Und jetzt gibt es ja auch wieder einen Umbruch. Das birgt erneut die Chance, etwas neu zu gestalten.
Also, es gab ganz viel an dieser Schule, nur Stillstand nicht!

> Was war dir in deiner Zeit als Leitung wichtig?

Zunächst war mir der Ansatzpunkt wichtig, temporärer Teil der Leitung zu sein, sich vom Team getragen zu wissen und gegenseitiges Verständnis zu haben. Daher war mir der Blick auf das Team und auf jeden Einzelnen wichtig in dieser Zeit. Auch das Eingebundensein in QuerWege war grundlegend. Und als Leitung hat man ja natürlich nochmal mehr Einfluss, die Schulentwicklung zu gestalten. Da mitzureden, war schön. Und die Vernetzung und Unterstützung zu Kontakten nach oder von außen, z.B. zum Kulturministerium, Schulamt, die verschiedenen Gremien, Studienseminar. Wenn man merkt, man ist eingebunden, das ist wichtig für Schule.

> Gibt es viele Schüler*innen, deren Lebensweg zu weiterverfolgen konntest?

Ja, das kommt immer wieder vor. Letztens hat mich z.B. eine Mutter angerufen und gesagt, »Du glaubst es nicht, mein Sohn hat das Abi gemacht und wird jetzt studieren.« Das ist schon toll. Und manchmal kommen ehemalige Schüler*innen, die an der UniverSaale sind. Die sehen mich und erinnern sich an meinen Unterricht bzw. gemeinsame Erlebnisse.

> Was ist Inklusion für dich?
Gelungene Vielfalt. Unterschiede sehen aber nicht als trennend bewerten, denn jeder ist anders und jeder ist wertvoll.

published on 14. August 2023