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Individuelle Hilfen/​Schulbegleitung

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Änderungen im Leitungsteam der Individuellen Hilfen: Abschiedsinterview mit Anne-Katrin Thierschmidt

(Diesen Inhalt gibt es leider noch nicht in leichter Sprache. Wir arbeiten gerade daran.)

Anne Katrin-Thierschmidt hat im Dezember 2008 den Bereich Individuelle Hilfen übernommen und diesen seitdem maßgeblich geprägt, sich unermüdlich für Qualität in der Schulbegleitung eingesetzt, Weiterbildungen, Fallberatungen und Supervisionen etabliert, war in Verhandlungen und Gesprächen mit Entscheidungsträger eine starke Stimme für unser Anliegen, hat in Jena mitgeholfen, Standards zu schaffen und hat ein großes, vielfältiges Team (zusammen-)geführt. Ihre tolle Arbeit hat die Individuelle Hilfen und auch QuerWege (dessen Vorstandsmitglied sie 8 Jahre lang war) enorm bereichert.

Anne hat ein anderes, neues Wirkungsfeld gefunden und uns als Leitung der Individuellen Hilfen im Mai 2023 »Auf Wiedersehen« gesagt. Zum Abschied haben wir Sie gebeten, auf ihre Zeit bei uns zurück zu blicken.

Was hat dich erwartet, als du vor über 14 Jahren die Leitung der Individuellen Hilfen übernommen hast?

Erwartet hat mich ein spartanischer Arbeitsplatz in der damaligen Geschäftsstelle im Distelweg mit einem Schreibtisch, der aus einer Art an die Wand geschraubte Küchenarbeitsplatte bestand. Die 25 Schulbegleitungen habe ich zum ersten Mal zur Weihnachtsfeier kennengelernt und konnte mir einen ersten Überblick über das Arbeitsfeld und die Herausforderungen machen. Es gab vor mir keine offizielle Leitung und die Teams waren eng in die Schulabläufe eingebunden. Es gab weder eine Urlaubsplanung noch wurden Krankenstände erfasst. Die Bewilligung lief über die Sommerferien mit teilweise hohen Stundenumfängen. Schulbegleitung steckte einfach überall, auch bundesweit, noch in den Kinderschuhen. Es gab kaum Beispiele, an denen man sich orientieren konnte, kaum Fachliteratur, Studien oder Weiterbildungen.

Was waren die ersten Themen, die dich beschäftigt haben?

Was einerseits für die Vertragssituation der Kolleg*innen gut war (durchlaufende Verträge), wurde zur Herausforderung als die Fallzahlen gestiegen sind. In Jena wurde dann genauer hingesehen, welches Amt zuständig ist und die Hilfen zwischen Sozial- und Jugendamt aufgeteilt. Es wurde notwendig, Strukturen aufzubauen, die eine Nachvollziehbarkeit der Hilfeleistungen für Träger und Stadt möglich machte. Das brachte natürlich auch Konflikte mit sich, da Teams und Kolleg*innen geschätzte Gewohnheiten loslassen mussten und sich zusätzliche auf neue Strukturen und Prozesse einstellen mussten. Insbesondere die Zusammenarbeit mit bislang inoffiziellen Führungspersönlichkeiten in den Schulteams war eine Herausforderung für beide Seiten. Es hat eine Weile gedauert, bis Zusammenarbeit und Vertrauen gewachsen sind.

Gleichzeitig war damals die Chance, viel zu gestalten, da es ja noch nicht viel gab. Ich durfte in Thüringen die erste Qualifizierung für Schulbegleitungen mitgestalten. Ich wollte, dass Schulbegleitung als Leistungsträger der Inklusion ins Bewusstsein von Akteur*innen und Verantwortlichen gerät und die Menschen, die in dem Feld tätig waren, ein fachlich fundiertes berufliches Selbstverständnis entwickeln und sich vernetzen können.

In Jena haben wir eine sehr gute Vernetzung aller mit schulischer Integration beschäftigten Institutionen und der Elternschaft gelebt, gemeinsam den Maßnahmeplan zur Umsetzung von Inklusion geschrieben und den Grundstein für das Konzept des Integrationsdienstes gelegt. Wir haben Standards für die Schulbegleitung in Jena entwickelt und als Träger damals noch zusätzlich Erziehungsbeistandschaften und außerschulische Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit Schulbegleitung angeboten. Es war einfach unfassbar viel in Bewegung.

Intern sind wir gewachsen, zahlenmäßig und fachlich. Es gab erste Fortbildungen, Mitarbeitenden- und Teamgespräche und ich habe jede Menge Vorstellungsgespräche geführt. Bereits 2010/​11 waren es 65 Schulbegleitungen.

Auf welche kleinen und großen Meilensteine, die du mit deinem Team gesetzt hast, bist du stolz?

Eine Antwort stehe bereits in der Frage: Ich bin sehr stolz auf das Team. In Gemeinschaftsleistung haben wir viel vorangebracht. Insbesondere mit der Art wie wir von Anfang an virtuelle Zusammenarbeit gestalten mussten, waren wir auch an der ein oder anderen Stelle Impulsgeber für Innovationen im Verein, bspw. bei der Digitalisierung.

Dass wir das budgetfinanzierte Modellprojekt an zwei Schulen hatten, war ein großer Meilenstein. In den Teams hat sich in dieser Zeit viel entwickelt und wir konnten tolle Erfahrungen sammeln, die auch aus der Evaluation hervorgehen. Leider mussten wir aber auch erfahren, dass die Zusammenarbeit nicht von allen Kooperationspartnern so mit Leben gefüllt werden konnte wie wir uns das gewünscht hätten und das Projekt letzten Sommer seitens des Kostenträgers beendet wurde.

Auch die Treffen aller Schulbegleitungen, die es vor Corona noch gab, waren stets Meilensteine. Wichtige Themen und Projekte haben sich von hier aus entwickelt. Z.B. die Möglichkeit, ein Praktikum in der Schulbegleitung zu machen, die Arbeit (auch die Leitungsarbeit) transparenter zu gestalten, mehr Verantwortung in die Teams zu geben usw.

Es ist uns außerdem gelungen, Führungskräfte immer im Bereich der Individuellen Hilfen zu finden und unsere Leitungsarbeit gemeinsam zu entwickeln. Dass Führung mehr ist als das Organisieren einer Einrichtung oder eines Teams und das Setzen fachlicher Impulse, sondern vielmehr darin besteht, Handlungsrahmen und Entscheidungsspielräume zu gestalten, hat uns in fast jeder Leitungsrunde oder -klausur beschäftigt. Wie wir Inklusion nicht nur in der Arbeit mit jungen Menschen, sondern auch im Miteinander umsetzen können, ist eine wichtige Frage, die fortbesteht und weitere Antworten erfordert.

Und nicht zuletzt waren die Teamtreffen, Erfahrungsaustausche aller Schulbegleiter*innen, Zukunftswerkstätten, Stammtische usw., also alle Gelegenheiten, wo viele Schulbegleiter*innen zusammenkamen, sich austauschen, vernetzen und vor allem neue Impulse setzen und Ideen spinnen konnten jeweils Meilensteine für sich.

Kannst du das große, rund 100 Menschen starke, QuerWege-Schulbegleitungsteam für uns beschreiben?

Schatzkiste der Vielfalt und Verschiedenheit. Die vielen Menschen mit unterschiedlichen Talenten, Potentialen, Ideen und Kräften ergeben ein großes Ganzes, welches in den vergangenen Jahren das geschaffen haben, was die Individuellen Hilfen heute sind. Trotz vieler Widrigkeiten sind sie in vielen Schulen Ermöglicher*innen von schulischer Integration. Für mich persönlich war das Team Auftraggeber, Antreiber, Kritiker und Unterstützung zugleich. Die Kraft der vielen hat mich oft auf verschiedene Weise bewegt.

Was wünscht du dir für die Zukunft der Schulbegleitung in Jena? Was sind aktuell die größten Baustellen?

Der Schulbegleitung in Jena wünsche ich wieder eine stärkere Vernetzung der Institutionen und Menschen, die sich für Inklusion einsetzen für deren Umsetzung verantwortlich sind. Begegnung räumt Missverständnisse aus, fördert gemeinsame Interessen zutage und ebnet gemeinsame Wege, auch zuständigkeitsübergreifend. Die verschiedenen Träger der Schulbegleitung in Jena stehen schon miteinander im Austausch und wollen gemeinsam Konzepte entwickeln statt als Konkurrenten wahrgenommen zu werden. Bei aller Unterschiedlichkeit eint uns das Interesse an mehr Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe und dazu wollen wir jeweils unseren individuellen Beitrag leisten.
Ein Schritt in Richtung einer stärkeren Wahrnehmung und Interessenvertretung der Eingliederungshilfen in Bildungseinrichtungen in Jena könnte die endgültige Umsetzung der schon vielfach besprochenen Gründung einer spezifischen AG sein, die an den Jugendhilfeausschuss angeschlossen ist.

Wie definierst du Inklusion für dich?

Inklusion ist für mich die Anerkennung von Vielfalt und Verschiedenheit neben der Gleichheit im Recht auf Chancen und Entwicklung. Teilhabe an Bildung ist eine wichtige Grundlage für Inklusion in der Gemeinschaft, weshalb ich auch die Formulierung »Teilhabe durch Bildung« bevorzuge. Inklusion ist Menschenrecht und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei haben Bildungseinrichtungen aus meiner Sicht insbesondere die Aufgabe, zum Empowerment junger Menschen beizutragen.

Inklusion ist kein Konzept und kein Projekt. Es ist unsere Verpflichtung, es kann eine Haltung sein und wir sollten unseren inklusiven Weg immer hinterfragen und für Weiterentwicklung offen sein. Inklusion ist für mich auch, dass wir nicht fertig werden, Barrieren aufzudecken, transparent zu agieren, Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen und Menschen darin zu unterstützen, teilhaben und teilgeben zu können. Und das nicht nur mit Blick auf unsere Pädagogik, sondern auch im Miteinander auf kollegialer Ebene, der Zusammenarbeit mit Eltern, anderen Einrichtungen usw. Wir dürfen kritisch sein und bleiben und über Schwierigkeiten reden. Nur so wachsen wir über unsere bisherigen Grenzen und nur so wächst Inklusion.

veröffentlicht am 08. Juni 2023