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Stellungnahme zur geplanten Änderung der Thüringer Schulordnung

Was bedeutet die geplante Änderung der Thüringer Schulordnung für unsere UniverSaale?

In den letzten Wochen hat das Thüringer Bildungsministerium eine Änderung der Thüringer Schulordnung angekündigt, die für unsere UniverSaale erhebliche Konsequenzen haben könnte. Das Ministerium begründet diesen Schritt mit der besonderen Herausforderung durch die große Anzahl neu zugezogener Schüler:innen, die oft altersbedingt in die Klassenstufe 8 eingestuft werden. Aus Sicht des Ministeriums führt dies zu schwierigen Lernbedingungen, insbesondere aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, und erhöht die Anzahl der Klassenwiederholungen. Das Ministerium erhofft sich von den geplanten Änderungen, wie der Einführung von Versetzungsentscheidungen ab Klasse 7 sowie verpflichtender Kopfnoten und Ziffernbenotungen, eine Verbesserung der Lernatmosphäre und mehr Bildungsgerechtigkeit.

Viele Fachkräfte und Eltern fragen sich aktuell, was diese geplanten Änderungen konkret bedeuten und welche Auswirkungen sie auf unser bewährtes Schulkonzept haben könnten. Im folgenden Beitrag möchten wir die vorgeschlagenen Veränderungen erläutern und diese Sichtweise aus wissenschaftlicher Perspektive kritisch beleuchten.

Was genau ist geplant?

Die Änderungen umfassen drei wesentliche Punkte:

  • Einführung verpflichtender Kopfnoten (Verhalten, Mitarbeit, Fleiß und Ordnung).

  • Frühere Versetzungsentscheidungen ab Klasse 7.

  • Verpflichtende Ziffernbenotung ab Klasse 6.

Warum betrifft das besonders unsere Schule?

Unsere UniverSaale basiert auf einem inklusiven Konzept, das individuelles Lernen und persönliche Entwicklung in altersgemischten Klassen fördert. Wir setzen seit Jahren erfolgreich auf formative und verbale Leistungsbewertungen statt traditioneller Ziffernnoten. Die geplanten Änderungen gefährden genau diese Kernelemente unserer Pädagogik.

Was sagt die Bildungsforschung dazu?

Die Forschung ist eindeutig:

  • Formative Bewertungsmethoden (z.B. Kompetenzraster, Lernentwicklungsberichte) führen nachweislich zu höherer Motivation, besseren Lernergebnissen und unterstützen besonders Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Förderbedarf effektiv (Silvia Iris Beutel).

  • Kopfnoten haben laut ifo-Institut und Wissenschaftszentrum Berlin keinen pädagogischen Nutzen, verstärken soziale Ungleichheiten und führen zu Stigmatisierungen.

  • Späte Versetzungsentscheidungen sind entscheidend, um Bildungsbrüche zu verhindern. Schülerinnen und Schüler, die länger gemeinsam lernen, erzielen bessere Leistungen und verlassen seltener vorzeitig die Schule.

Warum ist differenziertes Feedback so wertvoll?

Differenziertes, konstruktiv-kritisches Feedback hat sich an unserer Schule als zentraler Dreh- und Angelpunkt für eine erfolgreiche Persönlichkeits-, Lern- und Leistungsentwicklung erwiesen. Unsere Pädagog:innen fördern durch verbale oder andere differenzierende Einschätzungen

systematisch die Entwicklung der Schüler:innen. Sie benennen präzise und zugleich wertschätzend Stärken und Reserven. Diese differenzierten Einschätzungen ermöglichen individuelles Lernen und überwinden den normierenden Gleichschritt, der einzelne Schüler:innen entweder bremste oder überforderte.

Die Schüler:innen entwickeln durch die Auseinandersetzung mit diesen Feedbackformen eine Selbstkompetenz, die in Ausbildung, Studium und Beruf entscheidend für den Erfolg ist. Gerade in einer Arbeitswelt, in der Innovation zunehmend wichtiger wird als Reproduktion, ist diese Kompetenz unverzichtbar.

Setzt man neben oder über die an vielen der besten Schulen fest etablierte dialogische Feedbackkultur die schablonisierten Bewertungen von Noten, zerstört man ihr nachgewiesenes Potenzial. Noten werden zur dominanten »Goldwährung«, während wichtige Aspekte individueller Entwicklung kaum mehr beachtet werden. Die Demontage eines organisch gewachsenen und funktionalen Instrumentariums kann keinesfalls Teil einer besonnenen, weitsichtigen Lösung sein.

Welche Auswirkungen hätte die Änderung konkret für unsere UniverSaale?

Die geplanten Maßnahmen würden uns zwingen, bewährte und wissenschaftlich gestützte Elemente aufzugeben:

  • Verpflichtende Kopfnoten widersprechen unserer Philosophie einer konstruktiven Feedback-Kultur und können Schülerinnen und Schüler stigmatisieren.

  • Frühere Versetzungsentscheidungen bedeuten, dass Kinder mit erhöhtem Förderbedarf zu früh separiert werden, was ihre Entwicklung und die gesamte Klassengemeinschaft negativ beeinflussen würde.

  • Die verpflichtende Ziffernbenotung entzieht uns die Möglichkeit, durch formative Leistungsbewertungen die individuelle Entwicklung transparent zu machen und gezielt zu fördern.

Unsere Forderungen – für den Erhalt unseres erfolgreichen Konzepts:

Um unsere bewährten und erfolgreichen Ansätze zu schützen, setzen wir uns gemeinsam ein für:

1. Beibehaltung der Möglichkeit, bis mindestens Klasse 8 auf Ziffernnoten zu verzichten.

2. Verzicht auf verpflichtende Kopfnoten, da sie nachweislich keinen positiven pädagogischen Effekt haben.

3. Späte Versetzungsentscheidungen zur Sicherung einer langfristig erfolgreichen und inklusiven Entwicklung aller Schülerinnen und Schüler.

4. Erhalt der Schulautonomie, damit Schulen individuell und passgenau über ihre Leistungsbewertung entscheiden können.

Warum ist das wichtig für uns alle?

Diese geplanten Änderungen sind nicht nur eine Frage der Pädagogik, sondern betreffen unmittelbar die Qualität und den Erfolg unseres inklusiven Schulkonzepts. Sie wirken sich direkt auf die Bildungschancen unserer Kinder und die Zukunftsfähigkeit unserer Schule aus.

Wir laden Sie, liebe Fachkräfte und Eltern, herzlich ein, gemeinsam mit uns für den Erhalt einer Bildungslandschaft einzutreten, die Vielfalt, Individualität und eine zukunftsorientierte Pädagogik bewahrt.

Gemeinsam für Bildungsgerechtigkeit und Vielfalt an unserer UniverSaale!

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veröffentlicht am 17. März 2025